Leipzig-Gohlis

Georg Hieronymi - Kastellan des Schillervereins


*22. Juni 1862,
† 14. Februar 1947 Gohlis

Am 14. Februar 1947, verstarb in seinem 85. Lebensjahr Georg Hieronymi. Er war volle 60 Jahre lang als "Kastellan" des Schillervereins tätig gewesen. Der junge Mann erhielt am 19. September 1887 eine Postkarte vom Schriftführer des "Schillervereins zu Leipzig", auf der ihm dieser Vertrauensposten angeboten wurde. Seine deutliche Begeisterung für seinen Lieblingsdichter hatte dazu offenbar ebenso beigetragen wie der solide Eindruck, den er selbst machte. Am 11. Oktober wurde er vom Vorstand einstimmig gewählt und gleich mit Beginn seines Dienstverhältnisses am 1. November 1887 in die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten zu Schillers Geburtstageinbezogen. Georg Hieronymi war damals 25 Jahre alt und hatte geheiratet. Vier Monate vorher hatte er seine aktive Dienstzeit als Regimentshand-werker beim Infanterieregiment 106 in Leipzig abgeleistet und sich anschließend als selbständiger Schuhmachermeister in seiner Geburtsstadt Schkeuditz nieder-gelassen. Die neuen Aufgaben machten nun allerdings beträchtliche Umstellungen in seinem Leben notwendig. Sein Anstellungsvertrag verpflichtete ihn zum Umzug in die Dienstwohnung im "Kastellanhaus", in dem er auch seine Schuhmacherwerkstatt einrichtete. Dort stand ihm zunächst ein Stockwerk zur Verfügung. Dies änderte sich erst allmählich, als seine Familie nach und nach größer wurde (er hatte neun Kinder) und mehr Platz brauchte. Für ein festes Jahresgehalt von 150.00 Mark war Georg Hieronymijäglich bis zum Einbruch der Dunkelheit' dienstbereit, für den Fall, daß jemand die Glocke vorn am Gartentor läutete. Er hatte dabei die Führung der Besucher des Schillerhauses zu übernehmen und ihnen die gewünschte Auskunft über Schiller und das Schillerhaus zu erteilen. Seine anfänglichen Bedenken in dieser Hinsicht konnte der Vorstand des Vereins bald zerstreuen, der ihm entsprechende biomphische Literatur empfahl. Georg Hieronymis Kenntnisse über sein Thema wurden im Laufe der Zeit so umfassend, daß er eine liebevoll geschriebene, gründliche Führungsschrift verfassen konnte, die als "Souvenir" verkauft wurde. Finanzielle Probleme ergaben sich für ihn, als nach der Einführung von Eintrittsgeld 1893 die vorher freiwillig gespendeten Trinkgelder wegfielen, denn alle Stunden, die er als Kastellan den Besuchern widmete, bedeuteten ja einen Verdienstausfall in seinem Handwerk. Neben den üblichen Ordnungsarbeiten in Haus und Grundstück erforderte Georg Hieronymis Tätigkeit als Bote bei allen Festlichkeiten des Schillerhauses in Leipzig und Gohlis manchmal noch größeren zeitlichen Aufwand. Aller vierzehn Tage mußte er, zunächst zu Fuß, später per Fahrrad, bei den Mitgliedern des Vereins die Beiträge kassieren. Das waren 1887 etwa 140 Personen.
Um 1910 nahm diese Zahl immer mehr zu, da der Vorsitzende, Prof. Georg Witkowski, den Verein immer mehr zur"literarischen Gesellschaft" entwickelt und eine enge Verbindung mit dem Leipziger Theater geschaffen hatte. Als der Schillerverein 1916 1.200 Mitglieder zählte, mußte für die Beitragszahlung eine andere Regelung getroffen werden. Das jahrzehntelange getreue Wirken Georg Hieronymis als Kastellan verbindet ihn eng mit der Geschichte des Schillervereins und des Schillerhauses, fast wurde er selbst eine Art "Sehenswürdigkeit". Ohne seine Familie, in derLiebhabereien wie Zeichnen und Hausmusik ebenso zum Leben gehörten wie die Sorge für eine ordentliche Berufsausbildung der Söhne und Töchter, wäre dies allerdings so nicht möglich gewesen. Wie einfach die äußeren Bedingungen dieses Lebens (und Wohnens) waren, ist heute fast unvorstellbar. Die Bewohner der Häuser im unteren Teil der Menckestraße kannten einander und lebten eng zusammen. So bestand auch zur Familie des "Konkurrenten" Lankisch, dessen Schuhmacherwerkstatt schräg gegenüber lag, ein freundschaftlich nachbarliches Verhältnis. Noch viele Jahre später erinnerte man sich daran, daß Georg Hieronymi im Zweiten Weltkrieg eine Stabbrandbombe aus dem Fußboden des Schillerhauses entfernt hatte (ähnlich, wie es übrigens auch der Kastellan des Gohliser Schlößchens tat). Nach seinem Tod betreuten sein ältester Sohn, der Buchdrucker Martin Hieronymi und dessen Frau das Schillerhaus bis zu ihrem Weggang aus Leipzig im Jahre 1950. Die Nachkommen Georg Hieronymis leben heute weit verstreut, z.T. in Amerika. Sie alle haben freundliche Erinnerungen an ihren Großvater und das Schillerhaus in Leipzig Gohlis bewahrt.



Hermine Rosenkranz


» » zurück


Copyright © 2008 | möhler
Norbert Möhler - grafik // web // dvd
Heinrich-Mann-Str. 32 | 04157 Leipzig-Gohlis | Tel. (03 41) 5 64 96 01 | E-Mail: webmaster(at)leipzig-gohlis.de